Frankfurter Rudergesellschaft Nied 1921 e.V.

 

24h Radrennen am Nürburgring

Freitag
Was ein Wochenende! Die Teilname an dem 24h Rennen bei Rad am Ring war phantastisch und das obwohl wir sechs Stunden vor Ende die Segel streichen mussten.

Jo traf Freitags um 15:30h bei mir ein und Pavillions, Zelte, Essen, 27l Wasser, Gepäck, Schlafgelegenheiten und natürlich unsere Fahrräder wurden verladen. Tags zuvor war ich mit Patrick bereits auf einer letzten Testrunde in Bad Soden gewesen, die ihn zum Wechsel auf ein Laufrad mit einer etwas bergfähigeren Übersetzung überzeugte.

Für Freitagnachmittag hielt sich der Stau auf der A3 in Grenzen, am Ring angekommen kümmerte sich Jo zunächst um unsere Startunterlagen. Die erste Ausfahrt auf der Nürburgring Grand Prix Strecke nahm mein Octavia gelassen, ich mit kleinkindlicher Freude auf – sportliches Tempo war sowieso nicht drin. An unserer Parzelle, wartete bereits Andi auf uns, der separat angereist war. Der Aufbau unserer Pavillions erfolgte im bereits Halbdunkel, bis alle Seitenteile angebracht und einige Heringe versenkt waren war es fast zehn Uhr. Mit reichlich Grillgut ausgestattet stärkten wir uns erst einmal, bevor wir zu einer Testrunde im Dunkeln aufbrachen, bei der in uns allen erstes Rennfieber geweckt wurde.

Samstag
Am nächsten Morgen bin ich kurz nach Sieben aufgewacht, obwohl mein Schlafpensum lange noch nicht erfüllt war. Ein weiterer Schlafsack war bereits leer, Andi hatte sich den Wecker gestellt um seinen Golf rechtzeitig für seine Abreise Sonntag morgens von der Strecke zu bekommen. Zehn Minuten nachdem ich aufgewacht war tauchte er wieder auf und verkündete mit strahlendem Gesicht: „So, die erste Runde auf der Grand Prix Strecke habe ich hinter mir, sollen wir noch eine Runde drehen?“ Gepfiffen auf Schlaf, zum Auto geradelt und ab auf die Piste durch das noch sehr verschlafen wirkende Massenfahrerlager. Ehe ich mich versah, waren wir wieder am Ausgangspunkt – wieder ein Punkt auf der Lebens- To-do-Liste erfüllt.

Anschließend hat dann doch noch einmal der Schlafsack gerufen, mehr als Dösen war allerdings nicht mehr drin, zumal nach einer weiteren halben Stunde gleichmäßige, knatschende Geräusche von der Strecke zu vernehmen waren. Vor dem Start der Radrennen gibt es tatsächlich Horden von Verrückter, die sich zu Fuß auf die Nordschleife begeben. Den Horden vom Schlafsack aus zuzuschauen, wie sie bereits mit hängender Zunge vorbeihechelten war dann aber doch recht amüsant.

Um 09:00h war’s endgültig vorbei mit der Nachtruhe, schließlich musste ich bereits um 10:15h zum Fahrerbriefing erscheinen. Bis auf die Klärung der Startaufstellung (alle 1300 24h-Teilnehmer starten zugleich, jeder sucht sich seinen Platz selbst) gab’s keine nennenswerten News, und bei meiner Rückkehr in unser Lager dauerte es nicht mehr lange bis zu den Starts.

Andi haben wir gerade noch rechtzeitig losgeschickt, denn nun ging es Schlag auf Schlag: innerhalb einer halben Stunde wurden sowohl die 25/75/150KM Rennen als auch Mountainbiker und normale Teilnehmer des 24 Stunden Wettbewerbs gestartet. Wir machten es allen zurückgebliebenen gleich und stellten unsere Stühle an die Strecke um der Vorbeifahrt der Gruppen zuzusehen – ein beeindruckendes Schauspiel! Das erste Feld des 75KM Wettbewerbs schien fast vorbeizufliegen, beflügelt von der vorherigen Bergabpassage verursachte es bei Geschwindigkeiten jenseits der 50 KM/H einen Luftsog, der dem eines ähnlich schnellen Zuges glich. Faszinierend war der nicht abreißende Strom an Fahrrädern, der sich beim nächsten Anstieg zu einem einzigen Knäuel zu formen schien. Das Schauspiel wiederholte sich bei den nächsten beiden Gruppen und fand seinen Höhepunkt in den 1300 Startern des  24h Straßenrennens, bei dem wir Andi im letzten Viertel gerade noch aus den Augenwinkeln vorbeisausen sahen. Verblüfft waren wir, als nach weniger als zwanzig Minuten das Feld des 75KM Rennens bereits zum zweiten Mal vorbeizog.

Andi benötigte für seine erste Runde gerade einmal 55 Minuten und voller Entsetzten rechnete ich hoch, dass wir bei Beibehaltung dieses Tempos nicht jeweils vier, sondern fünf bis sechs Runden absolvieren würden. Ich beschwor daraufhin Patrick, der Andi ablöste, tunlichst langsam zu fahren. Ohne Erfolg, auch er stand nach 55 Minuten voller Begeisterung wieder vor unserer Box. Jo benötigte für seine erste Runden 70 Minuten inklusive Pause, somit war mein sorgfältig präparierter Zeitplan, der mich die Nachtstunden über etwas ruhen lassen sollte, vollends im Eimer.

Zudem setze Jo eine neue Referenz, die es für mich unbedingt zu schlagen galt: mit 91 KM/H war Jo in der Fuchsröhre nicht nur sechs Stundenkilometer schneller als auf seinem Trekkingbike im Vorjahr, er überbot damit auch meine letztjährige Bestmarke von 87 KM/H deutlich. Voller Heißhunger auf meine erste Runde und guter Dinge mir den Höchstgeschwindigkeitstitel zurückzuholen machte ich mich gegen halb Vier auf den Weg. Meine Rekordträume zerfielen bereits nach 500m: der nun einsetzende Regen befeuchtete die Strecke gerade so stark dass mir bei 82 KM/H der Mut ausging.

Bei Kilometer 11, am Ende der Bergabstrecke, hörte der Regen wieder auf, so dass ich mich im Trockenen bis zur Hohen Acht hochschleppen konnte. Auf dem Rennrad ging das zwar durchaus leichter als auf dem Trekkingrad, aber gefühlt nicht viel schneller.

Aufgrund der schlechter werdenden Wetterverhältnisse stellten wir die folgenden Runden auf Doppelstints um – wenn man eh schon naß ist kann man auch zwei Runden fahren, außerdem gibt’s für jeden mehr Nachtruhe am Stück. Andi und Patrick durften weiter im Regen fahren, und trotz der 60 KM, die beide zu dem jeweiligen Zeitpunkt in den Beinen hatten, schafften es beide auch in ihrer zweiten Runde ohne Schieben auf die Hohe Acht hoch. (Respekt an dieser Stelle an Patrick: Zwar war die Bereifung seines Hinterreifen vor Rennantritt komplett erneuert worden, trotzdem musste er sich mit einer eigentlich viel zu langen Übersetzung im Stehen die Steigung von teilweise 17% hocharbeiten). Oben angekommen hatten sich beide ihre Pausen redlich verdient.

Auch Jo verfuhr auf diese Art und Weise, er bekam es aber irgendwie hin, komplett im Trockenen zu fahren. Die Rundenzeiten näherten sich jetzt meinen ursprünglichen Prognosen. die erste Runde wurde meist in ca. 75 Minuten gefahren, die zweite dauerte jeweils 10-15 Minuten länger.

Sonntag
Irgendwann nach zwei Uhr Nachts war ich dann dran. Seit etwa zehn Uhr abends war Nebel aufgezogen, der zusehends dichter wurde. Durch die Fahrt im Nebel war an Geschwindigkeitsrekorde nicht zu denken, obwohl ich bergab fast alles, was parallel zu mir auf der Strecke war, hinter mir ließ, oft büßte ich diesen Vorsprung bergauf aber wieder ein. Auf der Hohen Acht angekommen gönnte ich mir eine Pause bei ein paar Bechern Isotonikgetränken, Waffeln und Keksen (das Catering des Verpflegungsstandes dort oben war perfekt organisiert!). Als ich mich wieder auf den Weg machte fielen mir einige Tropfen auf meiner Brille auf, die ich für Kondenswasser hielt.

Die Vorbeifahrt bei Start/Ziel war etwas unheimlich, der Nebel war nun so dicht, dass weder die Boxenanlage noch die Halogenfluter, die von der Tribüne her leuchteten zu sehen waren. Fast hatte man den Eindruck, das Rennen sei abgebrochen worden. (Zu dem Zeitpunkt wusste ich dummerweise nicht, DASS das Rennen aufgrund der Witterungsbedingungen bereits abgebrochen war!) So nahm ich den auf der Zielgeraden einsetzenden Regen gelassen zu Kenntnis, fuhr wie geplant an unserer Box vorbei und war, als ich die Zielgerade in der Gegenrichtung passierte, bereits ordentlich naß.

Es regnete nun in Strömen, nach den ersten drei Kurven auf der Nordschleife stand das Wasser in meinen Schuhen und einen Kilometer weiter bei der Anfahrt auf den Flugplatz war kein Flecken an mir mehr trocken. Drei Kilometer weiter fror ich dermaßen, dass ich mich danach sehnte endlich den Anstieg zur Hohen Acht in Angriff nehmen zu können. Bei der Zufahrt auf die Fuchsröhre war mir alles egal. Trotz strömenden Regens und den daraus resultierenden miserablen Sichtverhältnissen sowie Aquaplaning  habe ich alles, was vor mir fuhr mit deutlich höherer Geschwindigkeit überholt. Die nächsten vier Kilometer ging es weiter kurvig bergab, wobei ich merkte dass die Wassermassen verheerende Auswirkungen auf meine Bremsleistung hatten. Immerhin wurde die Strecke nun regelmäßig durch Blitze erleuchtet, so dass die unter anderen Umständen durchaus reizvolle Eifellandschaft im Regen nicht völlig unbemerkt an mir vorbeizog.

Beim nun folgenden Anstieg fuhr ich von Anfang an im kleinsten Gang mit etwas mehr als Schrittgeschwindigkeit, ab der halben Strecke zum Karussell war andauernde Selbstmotivation angesagt um nicht abzusteigen und zu schieben. Was hätte mir Absteigen auch gebracht – der eiskalte Regen stach so oder so befeuert durch Windböen auf jeden Teil meines Körpers ein, meine Arme begannen vor Kälte bereits zu zittern und ich musste meine ganze Konzentration darauf verwenden die Wadenkrämpfe zu unterdrücken, die sich mit fortschreitender Strecke in erschreckender Regelmäßigkeit  ankündigten.

Umso erstaunlicher fand ich es, dass mich meine Motivation bis auf die Hohe Acht in den Pedalen hielt und ich auch meine dritte Runde ohne am Berg abzusteigen absolvierte. Oben angekommen, es war mittlerweile 4:55h, gab‘s wieder ein paar Becher Isotonikdrink und eine Banane. Der Statusupdate, den ich seit Rennbeginn immer wieder auf Facebook gepostet hatte, fiel hingegen aus, da der Touchscreen durch Regentropfen in die Irre geführt wurde.

Lange dauerte die Pause nicht, und mit Grausen dachte ich an die nun anstehende Abfahrt, die mich weiter auskühlen würde. Nur noch der Gedanke am Ende der Runde mit einigen Stunden Schlaf im warmen und trockenen Schlafsack belohnt zu werden hielten mich auf den nächsten paar Kilometern auf dem Rad. Die Döttinger Höhe, eine 2 Kilometer lange Gerade kurz vor der Einfahrt zur Grand Prix Strecke, fuhr ich hinter zwei Kerlen auf Trekkingrädern komplett im Windschatten, bei der ersten leichten Passage bergauf hängten mich beide mühelos ab. Fix und fertig, müde und komplett durchgefroren erreichte ich nach eindreiviertel Stunden Fahrtzeit auf der zweiten Runde irgendwann zwischen 05:15h und 05:30h unsere Pavillions, in denen bereits rege Betriebsamkeit herrschte: eine Plane, als Wasserbrücke zwischen den beiden Pavillions gedacht, war unter der Regenlast zusammengebrochen und hatte alle Schlafplätze komplett unter Wasser gesetzt.

So blieb Jo zwar auf der Strecke, nicht aber im Schlafsack trocken. Glücklicherweise konnten noch einige trockene Gepäckstücke ins Auto gerettet werden. Wir beschlossen alles, was noch in den Pavillions stand auf einen großen Haufen zu räumen und so gut wie möglich abzudecken, und flüchteten anschließend ins Auto. Erst jetzt kam ich dazu mein klitschnasses Oberteil auszuziehen, die Heizung kam gegen Nässe und Kälte, die in uns allen stecke, kaum an. Obwohl wir zudem alle hundemüde waren war die Hoffnung auf eine Fortsetzung des Rennens noch nicht gänzlich gestorben.

Etwa nach zwanzig Minuten, als sich ein Hauch von Wärme im Innenraum ausbreitete, erreichte uns eine SMS von Andi – er war wohlbehalten (und vermutlich trocken) zu Hause angekommen (schön für ihn!). Fünf Minuten später klopfte einer der beiden Pavillions, beflügelt durch eine heftige Windböe, an die Heckklappe meines Autos. In diesem Moment war der Rennabbruch besiegelt. Beide Pavillions verteilten sich auf dem Dach liegend quer über die Parzelle. Alles, was auf dem zuvor geschützten großen Haufen lag war nun ebenfalls der Witterung ausgesetzt, der einzige Lichtblick war, dass der Regen fast aufgehört hatte und es langsam hell wurde. Also schlüpften wir wieder in unsere nassen Klamotten und Schuhe und machten uns ans aufräumen. Unsere Nachbarn schauten etwa zehn Minuten später aus ihrem Camper – die Pavillions müssen in einem kräftigen Schlag dagegengeflogen sein – und stellten zu ihrer Erleichterung fest, dass nichts weiter passiert war (schön für Sie!).

Wir räumten alles, was die Rettung noch wert war, notdürftig zusammen, stopften es in den Octavia, montierten die Fahrräder auf dem Dach und ließen einen großen Sack mit durchtränkten Fußmatten, leeren Pfandflaschen und einen in Tomatensauce ertränkten Klappstuhl als Ringopfer zurück. Jo gab unseren Transponder bei der Rennleitung zurück und kurz nach acht begaben wir uns rechtzeitig vor dem Neustart um 08:45h auf den noch völlig verlassenen GP Circuit und beendeten unser 24 Stunden Radfahren am Nürburgring. Nur mit völliger Übermüdung ist es wohl zu erklären, dass das einzige Thema auf der Heimfahrt die Planung der erneuten Teilnahme im Jahr 2014 war. tp